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Rückbaumaterial auf Landkreisdeponie

Nach Kenntnis des Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft (SWAB) ist die erste Anlieferung von spezifisch freigemessenem Material aus dem Rückbau des AKW Grafenrheinfeld auf die Bauschutt-Deponie Rothmühle des Landkreises Schweinfurt erfolgt.

Die Nachricht ist aus Sicht des SWAB besorgniserregend. Für die Bevölkerung ergibt sich aus der erfolgten ersten Einlagerung von „spezifisch freigemessenem“ Material aus dem AKW-Rückbau eine erhöhte gesundheitliche Belastung. Wurde die Deponie gutachterlich auf ihre Eignung zur Einlagerung dieser Stoffe untersucht? Uns ist dazu nichts bekannt.

Uns beunruhigt, dass dieses Material nicht frei von radioaktiver Strahlung ist - auch wenn es als „nicht radioaktiv“ definiert wird, solange ein festgelegter Wert der Strahlung nicht überschritten wird. Diese bizarre „Bewertung“ ändert nichts daran, dass aus medizinischer Sicht mit jeder zusätzlichen Strahlung eine Erhöhung des Gesundheitsrisikos einhergeht, und sie daher dringend vermieden werden sollte.  Die Betreiber von Atomanlagen argumentieren gerne mit dem Hinweis, dass durch Freimessung und Freigabe nur ein geringer Teil der Strahlung freigesetzt wird, denen Mensch und Umwelt bereits durch „natürliche" Strahlung ausgesetzt sind. Häufig übernehmen politisch Verantwortliche und Behörden diese Sichtweise.


"Natürlich vorkommende und künstlich erzeugte Radioaktivität unterscheiden sich nicht in ihrer Schädlichkeit... Natürliche Radioaktivität ist für etwa 10 % der jährlich auftretenden Krebserkrankungen verantwortlich.“ (Zitat: Karin Wurzbacher, Dipl.-Phys., Mitglied der BASK - BUND Atom-und Strahlenkommission, lange Jahre Vorstandsmitglied des Umweltinstituts München e.V.). Mit zunehmender Strahlen-Dosis steigt das Risiko, an Krebs zu erkranken - das gilt gleichermaßen für künstlich erzeugte und für natürlich vorkommende Radioaktivität. Mit der Deponierung von spezifisch freigemessenem Material aus dem AKW-Rückbau wird die Bevölkerung am Standort des AKW Grafenrheinfeld einem MEHR an radioaktiver Strahlung ausgesetzt.

Auch weiteren, aktuell häufig verwendeten Argumenten (z.B. von Preussenelektra) erteilt Karin Wurzbacher eine Absage: „Fischstäbchen und Paranüsse taugen nicht als Alibi für die Unschädlichkeit von Radioaktivität, auch nicht als Vergleich. Pflanzen und Tiere nehmen nun mal vorhandene Radioaktivität aus dem Boden oder mit der Nahrung auf. Das hat der GAU von Tschernobyl eindrucksvoll aufgezeigt, als Mütter nicht mehr wussten, wo sie saubere Nahrung für ihre Kinder herbekommen sollten."

Aus der gültigen Strahlenschutzverordnung (StrSchV) ergeben sich Grenzwerte und Berechnungsvorschriften. Das betrifft auch die Rückbauverfahren für AKWs. Doch die StrSchV hat Mängel und bildet nicht den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik ab; neuere Erkenntnisse der ICRP (Internationale Strahlenschutzkommission) werden in der Regel erst viele Jahre später umgesetzt. Umfassende Sicherheit ergibt sich für die Bevölkerung aus den Vorgaben der StrSchV nicht. Inhalt der StrSchV ist allerdings auch das Minmierungsgebot - die Betreiber könnten das Risiko für die Bevölkerung minimieren, indem sie die gesetzlich vorgegebenen Richtwerte freiwillig deutlich unterschreiten. Als Alternative zu radioaktiven Freisetzungen in die Umwelt (Deponierung auf der Rothmühle oder Verbrennung) könnte der schwach radioaktive  Abfall aus dem Rückbau abgeschirmt in einer Halle auf dem AKW-Werksgelände gelagert werden. Dies wäre für die hiesige Bevölkerung ein Beitrag zur Minimierung der radioaktiven Belastung.

Das Problem von Freimessung / Freigabe / Freisetzung von Stoffen aus dem AKW-Rückbau und der damit verbundenen Belastung für die Bevölkerung - durch Deponierung, Verbrennung bzw. bedingungsloser Freigabe von Materialien in den Wertstoffkreislauf - ergibt sich an allen AKW-Standorten. An manchen Standorten wird das von der Bevölkerung und den kommunalpolitisch Verantwortlichen sehr intensiv und engagiert öffentlich diskutiert.  
Nicht im Sinn von „das Zeug soll weg“, sondern in der Forderung nach Massnahmen, die für die Bevölkerung möglichst großen Schutz bieten können.

Das Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft erachtet eine kritische öffentliche Diskussion zum Thema Freimessung/Freigabe/Freisetzung als sehr wichtig - auch hier, am Atomstandort Grafenrheinfeld.
Wir sind uns bewusst, dass die derzeitige Handhabung von den gesetzlichen Vorgaben gedeckt ist - wir wissen, dass die Bevölkerung dadurch gesundheitlichen Risiken ausgesetzt wird, die vermeidbar wären.  

Aus diesem Grund haben wir im Dezember 2020 sämtliche Kreisrät*innen und Herrn Landrat Töpper angeschrieben, im Januar haben wir dieses Schreiben auch an die Verantwortlichen der im Schweinfurter Stadtrat vertretenen Parteien und politischen Gruppierungen versandt. Aufgrund der räumlichen Nähe sind auch die Bewohner*-innen der Stadt Schweinfurt von der Thematik betroffen.

Wir hoffen, dass sich der angeschriebene Personenkreis mit der Thematik befasst, und sich den Forderungen nach Veränderung / Verbesserung der bisherigen Situation engagiert anschliesst - um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, der radioaktiven Belastung der Bevölkerung entgegenzuwirken.