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Eine ganz normale Gemeinde - Stellungnahme

Das Interview mit Sabine Lutz, der Bürgermeisterin der AKW - Standortgemeinde
Grafenrheinfeld wirft einige Fragen auf. 

- Frau Lutz meint, das Bewusstsein "...gegen Atomkraft..." sei erst nach Tschernobyl
und besonders nach Fukushima entstanden. Das steht im Widerspruch dazu, dass es
am Standort schon Proteste gegen die Errichtung des AKW Grafenrheinfeld gegeben
hat.


Die Aktivitäten der BIG (Bürgerinitiative Gochsheim), die sich seit Anfang der
Neunziger Jahre in intensiver Arbeit gegen die Atommüllverladungen am Bahnhofsgelände
in Gochsheim eingesetzt hat,  führten dazu, dass sich die AtomkraftgegnerInnen aus
unterschiedlichen Gruppierungen regelmäßig zu den Mahnwachen, die von der BIG bei
Verladungen veranstaltet wurden, eingefunden haben. Das war vor Fukushima!
Auch das Schweinfurter Aktionsbündnis war bereits vor Fukushima mit diversen Veranstaltungen
aktiv! Fukushima hat weniger zu einer Änderung des Bewusstseins der Bevölkerung vor Ort
geführt - sehr wohl aber zu einer Änderung der bundespolitischen Atompolitik: die kurz vorher
verabschiedeten Laufzeitverlängerungen für die bundesdeutschen AKWs wurden zurückgenommen
- und der Atomausstieg beschlossen, der für das AKW Grafenrheinfeld den 31.12.2015 als
Abschalttermin definiert hat. 

- "Das KKG wäre früher oder später sowieso abgeschaltet worden. ob jetzt 2015. 2022 oder 2028.
Das hätte für uns als Gemeinde keinen großen Unterschied gemacht."Wirklich nicht? Die Freisetzung
größerer Mengen an Radioaktivität führt dazu, die Gegend im weiten Umkreis dauerhaft unbewohnbar
zu machen.Wenn man sich bewusst macht, dass ein AKW mit jedem Tag seiner Betriebsdauer die
Menge an hochradioaktivem Müll erhöht - der wegen seiner extrem gefährlichen Strahlung eine
gravierende Belastung und Gefährdung für Umwelt und Lebewesen darstellt - und weiss, dass dieser
Atommüll bis auf weiteres auf dem AKW - Gelände gelagert wird - dann erkennt man unschwer einen
Unterschied zwischen einer AKW- Laufzeit bis 2015 oder bis 2028. Insbesondere für die Bevölkerung
der Gemeinden in unmittelbarer Nähe zum Atommüll-Standortlager  - also z.B. der Bevölkerung der
Gemeinde Grafenrheinfeld! Diese ist den atomaren Risiken, die sich aus der ungenügend gesicherten
Lagerung ergeben, ausgesetzt! Diese Kehrseite der Medaille scheint Bürgermeisterin Lutz völlig
auszublenden.
Die Risiken, die mit dem Rückbau verbunden sind, und die Forderung nach größtmöglicher Sicherheit
vor radioaktiver Strahlung kommen im Interview nicht zur Sprache. Die Bürgermeisterin äußert:
"Was ich den Politikern von damals vorwerfe, ist, dass sie sich nie Gedanken darüber gemacht haben,
was mit dem Atommüll passieren soll. Dabei gäbe es in Gorleben ein sicheres Endlager."Das ist eine
ungewöhnliche Einschätzung! Von Politikern wurde Gorleben als "Endlagerstandort" definiert - obwohl
der Salzstock für eine dauerhafte Einlagerung von Atommüll aus wissenschaftlicher Sicht nicht geeignet
ist!
- Der Salzstock befindet sich in einer geologischen Störungszone
- es existieren nachweislich gasführende Schichten (Methan) unter dem Salz
- es gibt Vorkommen von eiszeitlichen Rinnen, die das - dünne - Deckgebirge durchschneiden
- es gibt Wassereinbrüche Das besagen z.B. Äußerungen von Dr. Ulrich Kleemann, Geologe, der von
   2004 - 2010 als Leiter des fachbereiches Sicherheit nuklearer Entsorgung im Bundesamt für
   Strahlenschutz u.a. für Endlagerprojekte zuständig war. 

Fakt ist: die Gemeinde Grafenrheinfeld - und damit natürlich die gesamte Region - ist bis 2046
(Ende der Betriebsgenehmigung) Standort für ein Atommülllager; aus jetziger Sicht ist davon
auszugehen, dass der hochgefährliche, radioaktiv strahlende Atommüll noch wesentlich länger
in der Gemeinde verbleiben wird.
Dass dieser Aspekt in den Aussagen von Bürgermeisterin Lutz überhaupt nicht auftaucht, ist erstaunlich!
Natürlich: die Akzeptanzgelder, die E.on an Vereine verteilt hat, die hohe Kreisumlage, die aus
Grafenrheinfeld geflossen ist, die Tatsache, dass sich die Gemeinde so vieles leisten konnte ....
und nun Einsparungen überdenkt - all das sind Themen, die nachvollziehbar mit dem AKW bzw.
der bevorstehenden Stilllegung in Zusammenhang stehen.  Doch auch ein ungeheuer großes Risiko
steht damit in Zusammenhang: in einer Frage des Interviews tauchte das Wort "Risiko" auf
- darauf ist die Bürgermeisterin nicht eingegangen - sie hat stattdessen von "Genuss" gesprochen
(durch finanzielle Zuwendungen von Bayernwerk und E.on an Vereine). 

Grafenrheinfeld: Eine ganz normale Gemeinde?
Grafenrheinfeld: Eine Gemeinde mit einem Atommüll-Standortlager!

Das Interview wirkt, als ob das für die Bürgermeisterin "ganz normal" sei.

Beitrag Schweinfurter Tagblatt